Großwildjagd in Sibirien

Eine Shadowrun(TM)-Kurzgeschichte
Es hatte aufgehört zu schneien. Der Winter kam dieses Jahr sehr früh und er war noch nicht wieder zu vollen Kräften gekommen. Es waren nun schon 3 Tage vergangen, wo sich sein Magen voll und zufrieden gefühlt hatte. Der Elch hatte ein hohes Alter gehabt, sehr zäh auch für ihn, aber es war genug Fleisch gewesen. Nun aber meldete sich der Magen und verlangte mehr. Das Grummeln riß ihn aus dem Dämmerzustand. Noch war die Sonne am Mittag warm genug für ein Sonnenbad, aber nicht mehr lange.

Mit einem unzufriedenen Knurren über seinen Magenzustand erhob er sich und reckte sich, so daß er mit den Hinterbeinen gegen die Höhlenwand stieß. Ein kurzes verächtliches Schnauben über seine zu kleine Behausung und danach verließ er diese Höhle, um Fleisch für seinen ach zu gierigen Magen aufzutreiben. Wenn er Glück hatte, könnte er noch vereinzelte Rentiere antreffen, die als Nachzügler dem Rest der grossen wandernden Herden folgten. Die Vorstellung von einem zarten Halbjährigen veranlaßte starken Speichelfluss der über seine langen Fangzähne zu Boden tropfte und als dampfende kleine Pfütze sofort gefror.

Es war kurz nach dem Sonnenhöchststand und zu dieser Zeit waren die Chancen auf Jagderfolg am kleinen See hinter dem nächsten Berg mehr als gut für ihn. Mit zwei kräftigen Sätzen erklomm er den Hang und trottete , nun da er sich wieder bewegte, gut gelaunt Richtung See. Auf halber Strecke stieg ihm die Fährte eines Jungbockes in seine Nase und zufrieden schnurrend folgte er dieser Spur, die einen leichten Bogen am Westufer einschlug. Als er die kleine Uferbüschung erreichte, blieb er wie angewurzelt stehen und gab keinen Ton von sich. Was er sah verwirrte ihn. Am Ufer stand der junge Hirsch und blickte schnurgerade aus auf den See, ohne ein Zeichen von Vorsicht walten zu lassen. Aber irgendwas stimmte mit ihm nicht. Er roch nicht so frisch, wie er eigentlich sollte  und wieso bewegte sich kein Muskel von ihm? Mit einem kurzen Willenskraftaufwand began sich der nun unsichere Jäger auf die Astralebene zu konzentrieren. Er spürte die dahinschwindende Lebensenergie des Hirsches, er war nicht länger als ungefähr 30 Minuten tot. Es war nun absolut erkennbar, daß es sich hier um eine Jagdfalle handelte. Was aber wichtiger war - war es eine Falle für ihn? Hatten sie ihn gefunden? Das schien ihm eigentlich unmöglich, denn kaum jemand war so gut im Spurenfinden und verwischen wie er. So oder so, er musste sich diesen Fallenaufsteller vom Halse schaffen. Soviel zum frischen Hirschfleisch.

Fest am Boden angeschmiegt bewegte er sich lautlos hinter den toten Hirsch. Und nun, da er fast die Hinterbeine des Jungbockes  berühren konnte, nahm er den leichten Geruch von Rauch wahr. Er ließ seine Sinne auf Wärmesicht gewöhnen und erspähte kurz darauf auf der anderen Seite des Sees eine Wärmespur , die nicht in dieser Gestalt durch ein Tier hätte enstehen können. Der Kontakt mit den Menschen war ihm schon lange mehr als vertraut und was dieser weiche Zweibeiner da gerade tat, war eine Zigarette rauchen.

Eins stand damit fest, diese Person jagte nicht ihn, denn wer auf ihn jagd machte, begeht solche Fehler eher nicht. Mit an der Erde angeschmiegten Körper robbte er langsam vom Hirsch weg. Innerhalb von einigen wenigen Minuten war der See umrundet. Den Blick auf den Zweibeiner fixiert, schlich er sich nun von hinten an jenen herran. Der Duft von scharfen billigen Rasierwasser drang ihm in seine Nase und der Zwang zu Niesen war nur schwer zu unterdrücken. Die Entfernung zur Zweibeinerbeute war nur noch wenige Meter entfernt. Mit ein paar grossen Sätzen erreichte er den völlig überraschten Mann. Ein kräftiger Schlag mit der rechten Pranke und das Gesicht des Menschwesens löste sich in eine Fontäne von Haut, Blut und Knochen auf. Der Geruch von Tod lag in der Luft und mit einem leichten Zittern seiner Flanken sog er diese Witterung tief in sich auf. Dem leisen kaum wahrnehmbaren Plopgeräusch folgte ein immens grosser Schmerz in seinem Nacken. Die Wucht des Projektils ließ ihn seitlich zu Seite wanken.

Ein zweiter Plopklang veranlaßte ihn, sich in die Deckung von einem umgestürzten Baum zu retten. Die kugel schlug da ein, wo sich vor einem Herzschlag sein Kopf befunden hatte. Sein eigenes Blut und der starke Geruch des Toten machten es ihm unmöglich, irgendeine Witterung des Schützen wahrzunehmen. Aber zum Glück war er mit enormen Heilungskräften ausgestattet, die seine Wunde sich bereits schließen ließ. Noch bevor sich am Einschußloch das Fell regeneriert hatte, bewegte er sich mit enorm gesteigerten Tempo auf gut Glück Richtung Wald. Zwei kurz aufeinander folgende Plops aus südlicher Richtung, veranlaßten ihn zu einer Richtungsänderung. Er vertraute auf seine Kraft, seine Schnelligkeit und auf die Gewissheit, daß die Ranger Arms nur noch 2 Schuß im Magazin hatte. Ein weiteres Plop war zu hören und er warf sich daraufhin scharf nach rechts. Die Kugel ließ einen Meter hinter ihm den gefrorenen Erdboden aufspritzen. Eine nur noch. Der Plopp und der darauf folgene Schmerz am Ohr waren sehr kurz aufeinanderfolgend und das Geräusch von dem Wechseln eines Ladestreifens, entrang ihm ein siegesbewußtes Brüllen aus tiefster Seele heraus.

Der mann war für einen Zweibeiner sehr gut getarnt, aber sein Angstgeruch veriet seine genaue Position. Ein großer Sprung und er landete mitten in eine Dreiergruppe von kleinen Kiefern. Zwischen diesen Bäumen sprang der Großwildjäger panisch kreischend auf. Mit einer verzweifelten Geste der Gegenwehr warf der Jäger ihm das Gewehr entgegen. Die Waffe polterte Richtung See. Der nun gejagte Jäger zog ein langes, scharf ausehendes Messer und ging in eine typische Form der Abwehrhaltung über. Über diese Art des Überlebenskampfes belustigt, sprang er direkt in die zu ihm ausgestreckte Klinge. Das verchromte Metall glitt oberflächlich seitlich am Kopf ab und mit seinem ganzen Köpergewicht riß er den Großwildjäger zu Boden. Die beiden Tatzen drückten mit Zuhilfenahme seines Rumpfes auf den Brustkorb der Beute. Das Knacken der Rippen entlockte der Beute ein ängstlichen langezogenen Schrei. Mit letzter Kraft versuchte das schwer verletzte Wesen sein Messer in die Herzseite des Jägers zu rammen. Aber bevor er dies vollziehen konnte, biß der Sieger dem Besiegten die Kehle durch. Ein Schwall von Blut sickerte gluckernd aus dem Hals der Beute. Kein Hirsch heute, aber der macht auch satt. Es ward wieder Zeit, dachte sich der Revierbesitzer. Es ist Saison.
Eine Großwildjägersaison, extra nur für ihn....

---T.N.

Ende

Quelle: http://pebbles.schattenlauf.de/shadowrun/stories/grosswild.html
Email: Hanno Behrens
Autor: ungenannt (ein Freund von mir)
Lektorat+Veröffentlichung: Hanno Behrens
Veröffentlichungsdatum: 24.11.2001

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